Menü

Monatskalender
MoKa Anmeldung
Bildungsnachrichten
Bücherbus

"BRÜDER"

„Brüder”! - hört das Wort!

Soll’s ein Wort nur bleiben?

Soll’s nicht Früchte treiben

fort und fort?


Oft erscholl der Schwur!

Ward auch oft gehalten -

Doch im engen, alten

Sinne nur.


Oh, sein neuer Sinn

Lernt ihn doch erkennen!

Lasst doch heiß ihn brennen,

durch euch hin!


Allen Bruder sein!

Allen helfen, dienen!

Ist, seit ER erschienen,

Ziel allein!

 

Auch dem Bösewicht,

der uns widerstrebet!

Er auch war gewebet

einst aus Licht.


„Liebt das Böse - gut!“

lehren tiefe Seelen.

Lernt am Hasse stählen -

Liebesmut!


„Brüder” - Hört das Wort!

Dass es Wahrheit werde -

und dereinst die Erde

Gottes Ort.


Christian Morgenstern, aus: Wir fanden einen Pfad

 

 

 

 

 

Liebe Eltern, liebe Schulgemeinschaft, liebe Lererinnen und Leser!

 

Die folgenden Zeilen spiegeln vor allem eins wider: mein Gefühl der Ohnmacht. Ein Gefühl, das ich sicherlich nicht allein habe, seit der Krieg über Nacht und über die Ukraine hereingebrochen ist. Zur Ohnmacht gesellten sich noch andere Gefühle, aber vor allem der Wunsch, wegsehen und warten zu dürfen, bis alles vorbei ist. Zu schrecklich waren schon die ersten Bilder und das Schicksal unfassbar, das sich in den Gesichtern der Menschen spiegelte. Jedes weitere Bild und Video schien mich mehr und mehr zu lähmen, korrumpierten sie doch meine Reflexe, helfen zu wollen. Ich bin ja nur Zuschauer.
So habe ich den Text, der eigentlich schon im Papierkorb lag, doch wieder herausgeholt.
Um wenigstens etwas zu tun.
Nicht um recht zu haben.
Sondern um der Stimme in mir, die sich verstört meldete, als andere wieder von Kriegsführung und Aufrüstung sprachen und man sich plötzlich wieder so einig war, Gehör zu verleihen. Natürlich wollen wir alle nichts lieber, als demjenigen den Rücken stärken, der den Mut hat, dem Drachen entgegenzutreten und ihm den Kopf abzuschlagen. Aber wir kennen auch alle den Teil der Geschichte, wo dem Drachen im Handumdrehen neue Köpfe wachsen. Wie besiegt man den Drachen wirklich?
Im Bewusstsein dieser Frage sind diese Zeilen entstanden.

Krieg ist:
Altes Testament
Auge um Auge
Rache nehmen
die Ehre verteidigen

Im Neuen Testament
hat der Sohn Gottes
den Jünger zurechtgewiesen,
der ihn mit dem Schwert verteidigen wollte.
„Stecke dein Schwert an seinen Platz, denn alle, die das Schwert ergreifen,
werden durch das Schwert umkommen.” (nach dem Matthäus-Evangelium 26, 52)
Und in der Bergpredigt (Matthäus-Evangelium 5) sagt er unter anderem:
„Ich aber sage euch: Streitet nicht mit dem Bösen, sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin.

Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen
und betet für die, die euch verfolgen und verleumden.”

Ist das „schön blöd”
oder sehr weise?

Kann man mit 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung einen Wahnsinnigen
davon abhalten, die Atombombe zu werfen?

„Liebt das Böse gut”, so heißt es in dem Gedicht von Christian Morgenstern.
Warum sollten wir das Böse gut lieben sollen,
reicht es nicht, es zu vernichten?
Aber ist das Böse aus der Welt,
weil ein Böser tot ist?
Ist überhaupt irgendjemand „aus der Welt”, nur weil er tot ist?
Hat Christian Morgenstern und haben wir nicht alle eine Ahnung davon,
dass wir uns nicht entkommen können?
Dass wir auf immer und ewig miteinander auskommen müssen?
Dass wir Wege zueinander finden müssen,
nicht, um uns den Schädel einschlagen zu können,
sondern um uns die Hand reichen zu können?
Wir müssen eine Menschheit, eine Weltenfamilie werden.
Ob uns Klima-, Umwelt-, Ressourcen- oder Energiefragen quälen, wir lösen sie nur noch gemeinsam. Grenzen sollten uns nicht mehr voneinander trennen, sondern lediglich die kostbaren Unterschiede in Sprache, Kultur, Religion markieren.
Steht und fällt nicht alles mit der Frage, ob ein jeder möglichst viel (an Jahren, an Materiellem) aus seinem Leben „herausholen” muss, um mit seiner „Bilanz” zufrieden sein zu können, oder ob ihm seine Seele wichtiger ist, die abends noch in den Spiegel schauen und nachts noch schlafen können muss.
Christus, Gottes Sohn, hat nur 33 Jahre gelebt. Er hat das Angebot, das ihm der Widersacher in der Wüste gemacht hat, abgelehnt. Alle Macht und Reichtümer dieser Welt und ewiges Leben auf Erden waren ihm nicht verheißungsvoll genug. Er hätte seine Seele verkaufen und seinen geistigen Ursprung (Heimat) verleugnen müssen.
Auch wer an Gott und Bibel nicht glauben mag, die Geschichte ist beeindruckend und bestechend unerbittlich formuliert. Beim Lesen spürt man, dass wir alle gefordert sind, auf diese Fragen eine Antwort zu geben, weil wir alle immer wieder und in unterschiedlichen Variationen „ein Angebot auf dem Tisch liegen haben”.

Weihnachten ist bei aller Dramatik ein schönes Fest.
Die Engel und Hirten stimmen ein ins Gloria.
Ostern ist Verrat, Feigheit und Einschlafen (am Ölberg), wo man wachsam sein wollte.
Ostern schmerzt, weil es Bewusstsein schafft,
darüber, auf welcher Seite wir stehen
und wie weit wir bereit sind,
für unsere Ideale einzustehen.

Sind wir bereit, an das Gute in jedem Menschen zu glauben?
Oder siegt das Gute erst, wenn der Böse besiegt ist?

Bleibt das Gute gut,
wenn es zur Waffe gegriffen hat?

Vernichtet die Kugel nicht auch den Schützen?

Ostern war immer schon ein rätselhaftes Fest.
Glaubst du noch an den Osterhasen?
Glaubst du an die Auferstehung?
Glaubst du an den Krieg?

Mit ganz vielen Fragen.
Mit dem Versuch, etwas gegen die Ohnmacht zu tun.
Mit guten Wünschen für das Osterfest
Und mit der Hoffnung,
dass der Frieden wieder auferstehen möge in der Ukraine

Ihr
Reinhard Elsler

 

 

 

Käthe Kollwitz: "Nie wieder Krieg!" – Antikriegsplakat zum Mitteldeutschen Jugendtag 1924

Adressen, Ansprechpartner

Die aktuelle Liste der Ansprechpartner*innen finden Sie auf unserer Homepage:

https://www.waldorfschule-flensburg.de/unsere-schule/gremien-und-ansprechpartnerinnen.html


Redaktion

Andreas Cziepluch, Reinhard Elsler, Tatjana Sordia